Der Codex icon. 414 der Bayerischen Staatsbibliothek in München präsentiert sich als wunderschöne Handschrift des späten 15. Jahrhunderts aus der berühmten Werkstatt des Jean Poyer in Tours. In 25 beeindruckenden, großformatigen Miniaturen wird die Lebensgeschichte Jesu in Verbindung gesetzt zu den Prophezeiungen der zwölf Sibyllen, außerdem begegnen hier die zwölf Propheten und die Evangelisten. Als wahrhafter Buchschatz befand sich die Handschrift im Besitz des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern und schmückte dessen Münchner Residenz.
Sibyllinische Prophezeiungen
Der Codex icon. 414 der Bayerischen Staatsbibliothek in München präsentiert sich als wunderschöne Handschrift des späten 15. Jahrhunderts aus der berühmten Werkstatt des Jean Poyer in Tours. In 25 beeindruckenden, großformatigen Miniaturen wird die Lebensgeschichte Jesu in Verbindung gesetzt zu den Prophezeiungen der zwölf Sibyllen, außerdem begegnen hier die zwölf Propheten und die Evangelisten. Als wahrhafter Buchschatz befand sich die Handschrift im Besitz des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern und schmückte dessen Münchner Residenz.
Die zwölf Prophetinnen
Der Zyklus der zwölf Sibyllen macht diese kostbare französische Handschrift des späten 15. Jahrhunderts zu etwas ganz Besonderem. In der Antike als Seherinnen berühmt, wurden diese Figuren ab dem 2. Jahrhundert umgedeutet und galten in der christlichen Ikonographie fortan als Prophetinnen Christi. Als solche sind die Sibyllen auch im Münchner Codex dargestellt. Die Handschrift mit dem Titel „Sibyllae et prophetae de Christo Salvatore vaticinantes“ (die Sibyllen und Propheten, die das Kommen Christi des Erlösers vorhersagen) beeindruckt neben diesem originellen Bildprogramm aber auch und vor allem mit ihrer äußerst qualitätvollen künstlerischen Ausstattung.
Eine französische Handschrift
Die Handschrift der Sibyllinischen Prophezeiungen gilt in der Forschung als ein herausragendes Werk aus der Werkstatt des Jean Poyer (1445–1504), dieses berühmten französischen Buchmalers in Tours. Sie entstand vermutlich in den Jahren um 1490–1500. Als Vorbild dienten höchstwahrscheinlich die Malereien des Jean Fouquet. Doch lässt die Handschrift zugleich deutliche italienische Einflüsse erkennen. Und der Sibyllen-Zyklus ist demjenigen im Stundenbuch des Louis de Laval sehr ähnlich – und wird auch dort mit einer Arche Noah-Szene eingeleitet.
Die herrlichen Miniaturen
Auf diese wunderbare und elegante Darstellung der Arche Noah folgen in der Münchner Handschrift 24 großformatige Miniaturen auf 12 Doppelseiten. Auf der Verso-Seite ist eine Darstellung jeweils einer Sibylle zu sehen, auf der gegenüberliegenden Bildseite eine Miniatur in zwei Registern: jeweils ein Prophet links und ein Evangelist rechts in der unteren Bildhälfte und darüber die zugehörige Szene aus dem Evangelium zum Leben Jesu.
Die thronenden Sibyllen präsentieren sich in prächtigen, wertvollen Gewändern, pelzverbrämt, mit Brokatstoff und goldenen Akzenten. Ihre Prophezeiungen sind auf Schriftrollen lesbar (auch ihr Name und Alter und weitere Informationen werden hier genannt). Eine äußerst abwechslungsreiche Gestaltung unterstreicht die großartige Kunstfertigkeit der Miniaturen. So ist der Thron ist auf jeder Miniatur in einer anderen Stellung dargestellt, mal im Profil, mal frontal dem Betrachter gegenüber. Unzählige figürliche Reliefs und Statuen an den Wänden, an den Thronen und im Hintergrund schmücken die Szenen. Und die architektonischen Rahmungen der bewundernswerten perspektivischen Kompositionen runden die Darstellungen gelungen ab.
Ein Schatz des Kurfürsten
Heute ist die Handschrift unter der Signatur Cod.icon. 414 ein Schmuckstück der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Sie wurde vermutlich erworben von Kurfürst Maximilian I. von Bayern (1573–1651). Maximilian war neben seiner politischen Bedeutung bekannt für den Ausbau der Münchner Residenz und die Förderung von Kunst und Kultur. Die kostbare französische Handschrift war spätestens ab 1641 im Bestand seiner Bibliothek und wurde in der sogenannten „Kammergalerie“ der Münchner Residenz präsentiert.